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Warum nur die Familie selbst – und nicht Familienpolitik – die Gesellschaft tragen kann
Von Dr. Walter Baar

2014 feiern die Vereinten Nationen den 20. Jahrestag des Internationalen Jahres der Familie.

Doch warum haben die Vereinten Nationen so einen Tag überhaupt ins Leben gerufen? Wie geht es der Familie hier und weltweit? Was hat sich in den letzten Jahren und Dekaden geändert und wohin gehen wir bezüglich der Entwicklung der Familie?

Ich biete hier einen kurzen Überblick über globale Trends, welche die Entwicklung der Familie massiv beeinflussen. Wie kann Familienpolitik die Entwicklung von Familien und Heirat lenken? – Oder nach den Erfahrungen der letzten Jahre besser gefragt: Kann sie dies überhaupt? Und wenn wir tiefer in die Materie eintauchen: Warum sind Familien eigentlich so wichtig?

Eines darf ich gleich vorwegnehmen: Bezüglich der Entwicklung von Familie und Heirat gibt es bereits eine Menge Datenmaterial. Darauf basierend kann man ohne Zweifel schon einige Aussagen treffen und uns ist auch ein kleiner Ausblick in die Zukunft von Heirat, Familie und Familienpolitik gegönnt.

Ich beginne einmal mit ein paar globalen Trends. Da diese massiv sind, immer wieder genannt werden und bereits hinlänglich bestätigt sind, nennt man sie auch „Mega-Trends“.

Wir haben weltweit gesehen steigende Bevölkerungszahlen. Erst im Herbst 2014 haben die Vereinten Nationen ihr Hauptszenario zur Gesamtbevölkerungsentwicklung nach oben korrigiert. Allerdings gibt es regionale Ausnahmen, wie Ihnen sicher nicht entgangen ist.

Gleichzeitig sehen wir – ebenfalls weltweit – fallende Geburtenraten. Wie passt das nun zusammen? – Nun: Es gab noch niemals zuvor so viele potentielle Mütter. Auch wenn diese nun pro Kopf weniger Babys bekommen, als frühere Mütter, macht das gesamt gesehen mehr Babys denn je. Wir nennen dieses Faktum auch das „Demographische Moment“.

Die Geburtenraten fallen wirklich weltweit. Dies gilt für wohlhabende Länder genauso, wie für weniger wohlhabende und sogar für die am wenigsten entwickelten Länder. Generell ist dieser Trend auch relativ unabhängig von der Religion. So weisen etwa mit Tunesien und dem Iran zwei islamische Länder Geburtenraten weit unter dem Bestanderhaltungsniveau auf. Auch was Religion anbelangt gibt es wieder interessante Ausnahmen und im Gegensatz zu Religion korreliert Religiosität sehr wohl mit hohen Geburtenraten.

Diese ersten beiden Trends führen zu einem demographischen Wandel. In manchen Ländern hat dieser bereits zu einer bedeutenden Reduktion der Bevölkerungszahl geführt. Als Folge dessen befürchtet man regional bereits einen Facharbeitermangel und manche Regierungen versuchen deshalb auch, junge Mütter so bald wie möglich zurück in den Arbeitskreislauf zu stoßen. Tatsächlich hat aber diese Maßnahme allein noch nirgendwo die Geburtenrate auch nur ansatzweise gehoben.

Der Demographische Wandel kommt meist mit erheblicher Verzögerung, da die Gesellschaften weltweit immer älter werden. Das liegt vor allem daran, dass die medizinische Versorgung immer besser wird. Doch auch die Versorgung mit Nahrungsmitteln spielt eine Rolle. Mittlerweile ist jede dritte Person weltweit zu schwer. Im Westen ist es jede zweite und jede fünfte ist adipös.

Eine bedeutende Rolle für die Entwicklung der Familie spielt ohne Zweifel auch die Globalisierung der Weltwirtschaft. Eine ihrer mächtigsten Folgen ist die wachsende Distanz zwischen Arbeitsplatz und Wohnort. Auf der Suche nach Arbeit ziehen Menschen um, meist in große Städte. Dies führt zum weiteren Wachstum von Städten. 2040 werden 80 Prozent der Menschen weltweit in Städten leben, viele von ihnen in „Mega-Cities“ mit mehr als zehn Millionen Einwohnern. Für das Leben in der Stadt sind Kinder jedoch eher ein Hindernis, da Lebensraum und Erziehung oft sehr teuer sind. Kurz: Wo immer Menschen in Städte ziehen, haben sie weniger Kinder.

Als Folge der wachsenden Distanz zwischen Arbeitsplatz und Wohnort kommt es zu einem Zerfall der Großfamilie. Die Kernfamilie mit Vater, Mutter und Kind oder Kindern kann allerdings einige Aufgaben der Großfamilie nicht oder kaum wahrnehmen, zumal meist beide Elternteile für das Auskommen arbeiten müssen. Deshalb werden Kinderbetreuung und Altenpflege genauso, wie die Versorgung von Kranken an externe Einrichtungen, wie Kindergärten oder Altenheime ausgelagert.

Ein Trend in Bezug zur Entwicklung der Familie berührt besonders Frauen. Es ist dies ihre wachsende ökonomische Unabhängigkeit. Es sind immer noch die Frauen, welche die Babys zur Welt bringen. Man kann schon allein deshalb sagen, dass die Zukunft weiblich ist. Und das ist absolut ernst gemeint. Sie werden bereits gemerkt haben, worum es vielen Familienpolitikern geht: Um die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie. Dies war auch immer die größte Herausforderung für jede moderne Familienpolitik. Fakt ist: Je besser eine Frau ausgebildet ist, desto später heiratet sie und desto weniger Kinder hat sie. Das gilt generell weltweit.

Die steigende ökonomische Unabhängigkeit – auch jene der Männer – führt zu einem Wachsen der Privatsphäre, auch zwischen den einzelnen Familienmitgliedern. Dies wiederum ist eine der Zutaten für den steigenden Individualismus. Wir sehen einen Wandel in der Form des Zusammenlebens weg von der Ehe als ökonomische Partnerschaft und hin zu einer nicht mehr immer das ganze Leben begleitende Partnerschaft, welche vor allem emotionelle Befriedigung gewährleisten soll.

Dies alles sind ohne Zweifel positive Entwicklungen. Doch wir müssen uns auch vor Augen führen, was dies für eine Gesellschaft bedeutet. Immer öfter führt diese Entwicklung zu einem grausamen Wettbewerb zwischen Individualismus und Gemeinschaftssinn. Ein Rennen, welches keinen Sieger kennt.

Wir sind weltweit mit einer fallenden Zahl an Verehelichungen und gleichzeitig einer steigenden Zahl an Scheidungen konfrontiert. 87 Prozent aller Menschen leben in Ländern mit fallenden Hochzeits-Raten. Dabei steigt die soziale Akzeptanz von Scheidungen. Auch das ist ein globaler Trend.

Hohe Scheidungsraten müssen nicht unbedingt bedeuten, dass all diese Menschen alleine leben. Immer öfter leben Menschen zusammen oder haben mit jemandem Kinder, ohne zu heiraten. Trotzdem wurden noch niemals so viele kleine Wohnungen gebaut wie derzeit. – Um individuelles Wohnen zu ermöglichen, was doch meist bedeutet, dass man alleine oder zu zweit ist.

Wenn Sie das verwirrt hat, hier ein anderes Faktum: Noch immer werden die meisten Kinder in eine stabile Beziehungen geboren.

Ein äußerst bedenklicher Trend ist die systematische Entwertung der Familie. Die passende Frage dazu lautet: Wie definieren wir „Familie“ heutzutage? – Wir leiden tatsächlich unter einer inflationären Verwendung des Begriffes „Familie“. Um es klar zu sagen: Familie ist sicher nicht einfach überall dort, wo zwei Menschen zusammenwohnen oder wo es Kinder gibt.

Das alles zusammen zeigt uns nur, wie abhängig alle Gesellschaften von jungen Menschen und ihrer Bereitschaft, Kinder zu haben, sind.

Was kann nun Familienpolitik tun? – Wenn man Länder mit aktiver Familienpolitik, welche Familien finanziell unterstützen, mit solchen, die dies nicht tun vergleicht, fällt einem auf, dass es oft kaum einen Unterschied bei den Geburtenraten gibt. Der Grund mag auch darin zu finden sein, dass die meisten Wohlfahrtsstaaten Alleinerziehende dermaßen gut unterstützen, dass es aus ökonomischer Sicht keinen Sinn mehr macht zu heiraten. In vielen Fällen macht es für Alleinerziehende auch keinen ökonomischen Sinn mehr zu arbeiten. Kein Wunder also, dass ihre Zahl nicht fällt, sondern steigt.

Ein grundlegendes Problem dahinter ist, dass diese staatlichen Unterstützungen vom Steuerzahler kommen. Tatsächlich ist all das aber wohl kaum Zufall, sondern eher eiskaltes politisches Kalkül. Politiker kreieren Abhängigkeiten und wollen für ihre Geschenke Stimmen. Das kann man getrost „Stimmenkauf“ nennen.

Während wir also ständig von Nachhaltigkeit, vor allem in Bezug auf unsere Umwelt und Natur hören, wird bei Gesellschaften auf diese meist völlig vergessen. Und doch ist es eigentlich so einfach: Für eine gute Ernte muss zuerst einmal gesät werden. Doch während andere Dinge unbeständig waren und sind, kommt die Familie immer wieder zurück. In Europa werden Kinder tendenziell als eine Möglichkeit gesehen, die Umlageverfahren am Leben zu erhalten. Das ist ein schwerer Fehler! Kinder sind mehr als eine Zahl auf einer Rechnung! Und so ganz nebenbei: In Europa werden 75 Prozent der Altenpflege innerhalb der Familie geleistet. Die völlig verschuldeten Wohlfahrtsstaaten könnten es sich gar nicht leisten, mehr Altenpflege auszulagern! Erinnern Sie sich nochmals: All das spielt sich vor einer stark alternden Gesellschaft ab.

Wir müssen ein für alle Mal klarmachen, dass eine Gesellschaft ohne Familien keine Zukunft hat. Die Familie ist der Kern der Gesellschaft, das hat sich über Jahrtausende so gezeigt. Wir leben in einer bewegten Zeit, in welcher wir vor Augen geführt bekommen, dass es wohl auch so bleiben wird.

Walter Baar, Dr. Phil., Historiker mit Schwerpunkt Europäische Entwicklung im globalen Kontext, Gründer des Instituts für Trendforschung mit Sitz in Hollabrunn