Frei nach dem berühmten Buchtitel von Janusz Kortschak.

Von Mag. Maria Neuberger-Schmidt

Jeder Mensch sehnt sich danach, angenommen und geliebt zu werden, so wie er nun einmal ist, da wo er oder sie gerade in seiner Entwicklung steht, mit allen Ecken und Kanten seiner Persönlichkeit, mit seinen Schwächen und Fehlern. Wir wollen nicht unserer Leistungen wegen, sondern als Person geliebt werden. Diese bedingungslose Liebe können Eltern ihren Kindern erfahrbar machen, wenn sie es selbst von ihren Eltern so erfahren haben oder auf ihrer Suche nach Gott diese wunderbare Erfahrung machen konnten. Dann komme, was da wolle. Wir halten den Stürmen unsres Lebens stand und sind frei für die eigene Entwicklung und für den Dienst am Nächsten. Unsere Motivation dazu entspringt allein dem Wunsch, aus Freude und Dankbarkeit eine adäquate Antwort auf diese Liebe zu geben und lässt sich nicht von äußeren Schwierigkeiten oder Enttäuschungen entmutigen. Wir tun, was wir tun, einfach deshalb, weil wir es tun müssen, weil unsere innere Stimme uns leitet, unabhängig davon, ob Erfolg sich einstellt oder nicht, ob wir Anerkennung ernten oder nicht, ob wir Durststrecken durchqueren müssen oder nicht. Wir spüren uns lebendig, lassen uns auf das Leben ein, finden unseren Weg und wissen uns geborgen. Das Leben jedes Menschen ist letztlich immer eine spirituelle Entwicklung.

 

Bedingungslose Liebe

Wenn Eltern ihre Kinder mit einer solch bedingungslosen Liebe annehmen können, dann bekommt das Kind täglich das nötige „Vitamin C“, um ein solides Selbstwertgefühl und darauf aufbauend seine Fähigkeiten und Talente entwickeln zu können. Die Eltern vermitteln ganz einfach, dass sie sich an ihrem Kind freuen, mit der stillen Botschaft „schön, dass es dich gibt!“ Sie kann gelegentlich verbal vermittelt werden, meist aber wird sie non-verbal kommuniziert durch Blickkontakt, Lächeln, Körperkontakt und Zärtlichkeiten, indem wir das Wesen und die Bedürfnisse unseres Kindes achten. Das Kind bekommt das Gefühl „Es ist OK, dass ich bin wie ich bin“ und „Ich fühl mich wohl in meiner Haut!“ egal ob es groß oder klein, dick oder dünn, schüchtern oder mutig, lebhaft oder ruhig, gesund oder krank, vom Schicksal begünstigt oder benachteiligt ist.

Erst wenn unsere Kinder sich geliebt und angenommen fühlen, so wie sie sind, können sie sich frei und offen entwickeln, gemäß ihren natürlichen Anlagen.

Wenn Eltern ihre Kinder als strahlende Sieger erleben, ist es nicht schwer, sein Kind zu mögen. Was aber, wenn nicht? Dann müssen wir uns zu dieser Haltung durchringen. Damit sie echt ist und nicht vorgetäuscht, erfordert sie eine ehrliche Auseinandersetzung mit unserer eigenen Geschichte, mit unseren Gefühlen und Erwartungen. Dann können wir persönliche, bedingungslose Liebe jedem Kind geben, jedes Kind auf die Weise lieben, wie es sie braucht und damit jedem Kind gerecht werden, egal wie unterschiedlich sie sein mögen. Dann lieben wir nicht nach einem künstlichen „Gießkannenprinzip“ und lassen uns auch nicht von natürlich auftretenden Rivalitäten unter Geschwistern unter Druck bringen.

 

Die Sprache der Annahme

Die meisten Eltern bringen ihrem Kind die Haltung der bedingungslosen Liebe entgegen, aber sie können es nicht im Dialog vermitteln. Wenn ihr Kind mit einem Problem zu ihnen kommt, versuchen sie zu trösten, indem sie ihnen ihre Gefühle ausreden („Das ist ja nicht so schlimm!“) und kluge Erklärungen und Ratschläge zu geben, um zu helfen. Dabei vermitteln sie unbewusst „Ich halte deine Gefühle nicht aus“ und „Ich trau dir nicht zu, damit klar zu kommen.“ Das Kind erhält die Botschaft „Du bist nicht OK“ Es bockt oder macht zu. Die Eltern wundern sich, warum das Kind nichts erzählt und merken nicht, dass es vielleicht mit dem eigenen Kommunikationsverhalten zu tun hat. Wenn das Kind aber aufhört, seinen Eltern, die es ja nur gut meinen, sein Herz auszuschütten, bringen sie es um die Möglichkeit, seine Gefühle, Gedanken und Erlebnisse zu verarbeiten. Es fühlt sich nicht angenommen, wird unsicher und ist blockiert in seiner Entwicklung. Thomas Gordon hat in seinem Buch „Familienkonferenz“ die Sprache der Annahme beschrieben, die sich durch aktives Zuhören ausdrückt und dem Kind das Gefühl vermittelt, ernst genommen und bedingungslos geliebt zu werden. Bei uns Erwachsenen ist das nicht anders.

 

Helfen will gelernt sein

Natürlich dürfen Eltern ihren Kindern Erklärungen und Ratschläge geben, aber damit diese gut angenommen werden können, anstatt auf Widerstand zu stoßen, müssen sie Kommunikationssperren meiden und stattdessen einige Regeln beachten, wie sie ein guter Coach praktiziert. Sie können den kindlichen Selbstklärungsprozess unterstützen, der durch drei Phasen charakterisiert ist:

 

Der Selbstklärungsprozess: verstehen, klären, lösen

Verstehen: emotionale Annahme

Als erstes müssen Eltern dafür sorgen, dass das Kind seine Gefühle ausdrücken darf, auch die unangenehmen, dass die Eltern einfach akzeptieren, dass es fühlt, was es fühlt und dass sie Verständnis zeigen für seine Situation. Wenn das Kind „abladen“ kann, fühlt es sich erleichtert

und kann sich beruhigen. Die Eltern müssen gar nichts „tun“ außer da sein. Sie können sich entspannen, denn es reicht, wenn sie „bloß“ aktiv zuhören und dabei die Gefühle beschreiben, die sei beim Kind wahrnehmen..

Klären: Fragen stellen statt Erklärungen geben

Indem sich sein Gefühlswirrwarr beruhigt und es weiter über sein Problem spricht, kommen klare Gedanken in Innenleben des Kindes. Es kann Abstand zu seinem Problem gewinnen, neue Perspektiven sehen, eigene Widersprüche erkennen. Wenn die Eltern diesen Klärungsprozess unterstützen wollen, so sollten sie nicht Erklärungen geben, die Blockaden auslösen, sondern diese in Fragen verpacken, die sich das Kind selbst beantworten kann. Wenn die Erklärung aus dem Mund des Kindes kommt, dann hat es an Einsicht gewonnen. Die Eltern erkennen, wo ihr Kind steht und können sich über seine Kompetenz freuen. Zur Lösung seiner Kinderprobleme findet es dann wie von selbst.

Lösen: Fragen stellen, statt Lösungen aufdrängen

Wenn nicht, können Eltern das Kind bei der Suche nach Lösungen unterstützen, indem sie wieder die passenden Fragen stellen. Statt „Da brauchst du ja nur…“ lieber fragen: „Was könntest du da tun?“ Ressourcen aktivieren: „Letztes Mal ist dir das so gut gelungen. Wie hast du das gemacht?“ Schritte der Umsetzung planen: „Was machst du zuerst?“ Auf diese Weise kann das Kind mit Hilfe der Eltern die meisten seiner Probleme selbst lösen und die Eltern brauchen nur noch zu bestätigen. Es erlebt sich als kompetent, sein Selbstbewusstsein steigt, die Zuneigung und Vertrauensbasis zu den Eltern wird gefestigt.

Sollte das Kind aber noch nicht zur passenden Lösung gelangen, so hat es sich von seinen Eltern so ernst genommen gefühlt, dass es nun auch bereit ist, deren Vorschlag zu prüfen oder deren Rat anzunehmen, weil er nun auf fruchtbaren Boden fällt. Wenn Eltern merken, dass dem Kind noch die nötige Einsicht fehlt, können sie die Rolle des Coach verlassen, und kraft ihrer Autorität sagen was zu tun ist. Ein Coach hat keine Erziehungsverantwortung für den Klienten, Eltern für ihre Kinder aber schon.

 

Was tun bei Fehlverhalten?

Bedingungslose Liebe bedeutet nicht, dass wir das Fehlverhalten unserer Kinder nicht kritisieren dürfen, aber unsere Kritik muss dem Verhalten gelten, nicht der Person, so als würde man sagen: „Du BIST mein liebes Kind. Aber was du TUST, ist nicht in Ordnung“.

Wichtig ist, dass wir in unserem manchmal verständlichen Ärger oder Frust das Kind nicht beleidigen, demütigen oder bedrohen, durch grobe oder subtile Du-Botschaften oder gar durch

Gewalt. Wäre es nicht widersinnig und grausam, Kindern durch Gewalt gutes Sozialverhalten beibringen zu wollen? Es geht auch anders!

 

Grenzen setzen durch Ich-Botschaften

Um zu sagen, was nicht passt, können Eltern ihre Kinder freundlich, klipp und klar konfrontieren, indem sie

§ Die Situation wertfrei beschreiben (Sachebene)

§ Sagen, was dieses Verhalten bei ihnen auslöst, was sie konkret daran stört, was sie denken und fühlen (Selbstoffenbarungsebene)

§ und was sie stattdessen wollen (Appell) Das kann ein Wunsch, eine Anweisung oder die Aufforderung sein, eine Lösung vorzuschlagen, je nachdem was zur konkreten Situation gerade passt.

 

Die oben geschilderte Coaching-Methode eignet sich auch hervorragend dafür, Kinder zu Einsicht und Rücksichtnahme zu erziehen, ihnen Werte und Unrechtbewusstsein zu vermitteln. In freundlich-ernsten, klärenden Gesprächen können sie auf Abwehrstrategien verzichten, zu Einsicht und gesunder Selbstkritik gelangen, gerade weil sie sich nicht verteidigen müssen.

 

Fair Konflikte lösen

Auch im Konfliktfall können Eltern ihre bedingungslose Liebe zeigen, indem sie Verständnis für die zur Auseinandersetzung geführten Gefühle und Bedürfnisse ihrer Kinder zeigen und den Konflikt wertschätzend führen und fair austragen. Dabei achten sie darauf, dass auch die Kinder die Ebenen des Respekts ihnen gegenüber nicht verlassen.

 

Erziehung und die Frage der Autorität

Galten über Jahrhunderte hinweg in allen uns bekannten religiösen Traditionen elterliche Gewalt und das Recht auf Züchtigung als legitime Erziehungsmittel, so hat die moderne Psychologie erkannt, welch dramatische Auswirkungen Gewalt und Macht auf die Kinderseelen hat. Nun wähle ich bewusst eine gewisse Pauschalierung, um die heutige pädagogische „Landschaft“ zu charakterisieren. Im dem Bemühen, elterlichen Machtmissbrauch zu verhindern, wurde auch gleich die Autorität abgeschafft. Die Worte Autorität und Gehorsam wurden zu Unworten erklärt, man möchte Demokratie und Gleichberechtigung im Kinder- und Klassenzimmer einführen. Die Annahme lautet: bringt man Kindern Respekt entgegen, kommt automatisch Respekt retour. Unzählige psychologische Ratgeber wurden nach dem Ideal der Gleichberechtigung geschrieben, mit dem Resultat, dass Eltern mehr verunsichert sind denn je.

Hinzu kommen die Verunsicherung durch den Wertepluralismus in der Gesellschaft, mit dem oft gehörten und esoterisch anmutenden Glaubenssatz, es wäre alles „gleich gültig“ und schließlich eine bedrohlich um sich greifende geistige Umweltverschmutzung durch Werbung und moderne Medien, denen gerade unsere Jugend weitgehend ungeschützt ausgeliefert ist. Eine ausgeklügelte Kunst der Manipulation wird im Namen von Freiheit und Demokratie geschützt und die bewussten oder unbewussten Drahtzieher können sich so der Verantwortung für die Folgen ihres Tuns elegant entziehen.

 

Kinder sind gleichwertig, aber nicht gleichberechtigt.

So lautet meine Überzeugung. Kinder haben Anspruch auf Respekt und Wertschätzung im selben Ausmaß wie Erwachsene, und zwar vom ersten Moment an, haben jedoch nicht dieselben Rechte und Pflichten – eigentlich eine pädagogische Binsenweisheit. Gleichberechtigt werden Kinder jeden Tag ein Stückchen mehr, in dem Ausmaß, in dem ihre Kompetenzen, ihre Vernunft und ihr Verantwortungsgefühl wächst, bis sie eines Tages, erwachsen geworden, ihren Eltern als gleichberechtigte Partner die Hand reichen und ihr Leben hinausgehen, über das sie nun selbst bestimmen.

 

Macht und Autorität

Meine Überzeugung: Wir können Kinder ohne Gewalt erziehen, nicht aber ohne Autorität. Daher gilt es zu unterscheiden, welche Form von Autorität Kindern gut tut und welche nicht. Zunächst möchte ich einige allgemeine Aussagen zum Thema Macht und Autorität machen.

Wir leben in einer hierarchischen Gesellschaft, und jeder vernünftig denkende Staatsbürger wird sich nicht in seiner Freiheit und seinen demokratischen Rechten beschnitten fühlen, wenn er die Autorität eines Gesetzes, eines Richters, einer Behörde oder eines Chefs anerkennt, vorausgesetzt, er hat die Möglichkeit des Einspruchs. Damit es nicht zum Machtmissbrauch kommt, muss uns klar sein, dass Macht nur dann eine ethische Berechtigung hat, wenn sie einzig und allein zum Wohle derer ausgeübt wird, über die sie herrscht. Christus formuliert es so: „Wer der Erste unter euch sein will, muss der Diener aller sein!“ In diesem Zusammenhang sind folgende Grundsätze zu beachten:

Macht braucht Legitimität

Macht darf nur zum Dienen dienen. Der Staatspräsident ist durch die Wahl, Eltern sind durch ihre Elternschaft legitimiert.

Macht braucht Befugnisse

Ohne die Exekutive wären Gesetze nicht zu vollziehen. Auch Eltern und Lehrer brauchen Machtbefugnisse, die sicherstellen, dass sie die Aufgaben, die sie zu erfüllen haben, auch erfüllen können. Diese Befugnisse wurden in den letzten Jahren stark beschnitten: Kinder werden über ihre Rechte aufgeklärt (sehr wichtig!), aber nicht über ihre Pflichten. Jeder wird einsehen, dass ein Vorgesetzter einem Untergebenen Anweisungen geben darf, Eltern ihren Kindern aber nicht?

Eltern müssen vermehrt darin geschult werden, wie sie ihre elterliche Macht liebevoll, fürsorglich und gewaltfrei zum Schutz und Wohl ihrer Kinder einsetzen können. Ich verwende daher gerne den Ausdruck Führungskompetenz, die klug und verantwortungsbewusst ausgeübt werden will.

Macht braucht Kontrolle

Um sicherzustellen, dass Macht nicht missbraucht wird, bedarf es Kontrollemechanismen, und zwar auf mehreren Ebenen:

 

a) Kontrolle durch jene, über die sie ausgeübt wird. Jeder Staatsbürger, jedes Kind muss widersprechen dürfen und dabei ernst genommen werden. Das geschieht mittels Einspruch oder Einwand: „Ich mag noch nicht nach Hause gehen. Darf ich noch ein wenig bleiben?“ nichts spricht dagegen, dass Eltern einem solchen Einwand stattgeben, die Führungskompetenz und Verantwortung für ein Ja oder Nein bleibt jedoch bei ihnen.

b) Kontrolle auf gleicher hierarchischer Ebene: das sind zum Beispiel der Austausch über Erziehungsfragen zwischen den Eltern, im Freundeskreis, in der Beratung oder im Elternseminar.

c) Übergeordnete Autoritäten wie das Jugendamt haben die Möglichkeit, Eltern ihre Erziehungsberechtigung zu entziehen, wenn grobe Inkompetenz oder Missbrauch vorliegen.

Die natürliche, hierarchische Ordnung

Zwischen Eltern und Kindern gibt es eine natürliche hierarchische Ordnung. Modernen, engagierten Eltern fällt es oft schwer, dies anzuerkennen, sie meinen: „mein Kind soll kein Befehlsempfänger werden, es soll frei und selbst bestimmt aufwachsen.“ Nehmen wir ein Beispiel: Das Kind will nicht einsehen, warum es einen bestimmten Film nicht ansehen darf und kontert: „Aber du siehst dir doch auch an, was du willst!“ Hat das Kind nun Recht mit seinem Vorwurf? Aus der Perspektive der Gleichberechtigung schon, ich würde doch auch meinem Mann oder meiner Freundin nicht verbieten, einen bestimmten Film anzuschauen. Warum darf ich es dann meinem Kind gegenüber tun? Weil ich Erziehungsverantwortung habe! In manchen Situationen muss ich meine Autorität geltend machen um etwas zu erreichen oder zu verbieten. Nichts spricht dagegen, gerade beim Thema Fernsehen, Kinder partnerschaftlich in die Auswahl einzubinden wird, aber die Vorentscheidung und die Zustimmung obliegt den Eltern.

Die Grundformel lautet: Eltern sorgen, Kinder folgen. Warum aber widersprechen Kinder so oft? Warum widersetzen sie sich elterlichen Anweisungen? Nicht weil sie böse sind, sondern weil sie lernen müssen, sich durchzusetzen. Das gehört zu ihrer Entwicklung dazu. Bei wem können sie das trainieren? Bei den Eltern. Diese müssen ihnen Möglichkeiten geben, ihre Interessen durchzusetzen: durch Bitten, durch gute Argumente, durch eine Kultur des Widerspruchs.

Heutzutage ist oft von Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten die Rede und man sieht die Ursache in Gewalt und Verwahrlosung. Es gibt aber noch einen anderen Grund, warum Kinder verhaltensauffällig werden. Es sind oft verwöhnte Kinder, die sich von ihren Eltern nichts mehr sagen lassen. Wer hat die Macht? Derjenige, der sich durchsetzt. Das kapiert schon ein Zweijähriger. Wenn das Kind aber die Eltern als schwach und nachgiebig erlebt, wie soll es sich dann bei ihnen geschützt und geborgen fühlen? Kinder haben das Bedürfnis, ihre Eltern zu lieben und zu achten. Dies können Eltern nur gewährleisten, wenn sie liebevoll, authentisch und stark sind. Wenn aber Kinder im natürlichen Machtkampf die Überlegenen sind, können sie nicht zu ihren Eltern aufschauen und sie nicht respektieren. Dann benehmen sie sich immer unmöglicher, so als wollten sie sagen: „Wie muss ich mich denn noch aufführen, damit ihr endlich reagiert und mir die Position zuweist, die mir als Kind zusteht?“ Wenn Eltern aus falsch verstandener Liebe ständig nachgeben, wird das Kind aggressiv, willkürlich und tyrannisch – ähnlich als hätte es ein zu viel an Gewalt erfahren.

Diese Zusammenhänge werden noch häufig übersehen. Fehlende Autorität führt zu elterlicher und pädagogischer Überforderung und zur Unfähigkeit, Kinder zu lenken und zu leiten. Wer zahlt die Rechnung? Unsere Jugend mit vielen vermeidbaren Entwicklungskrisen und verkrachten Existenzen!

Das Defizit an Autorität erklärt auch die Faszination vieler Jugendlicher für die rechtsextreme Szene. Dort bekommen sie endlich, was ihnen von der gängigen Pädagogik vorenthalten wird. Dort erleben sie den „starken Mann“, der die Regeln diktiert und dem sie sich unterordnen müssen. So gerät unsere Jugend in Gefahr, eine leichte Beute für gefährliche Ideologien zu werden.

Um Kindern eine gesunde Entwicklung zu gewährleisten, müssen Eltern und PädagogInnen sich wieder zu ihrer natürlichen Autorität und Führungsaufgabe bekennen und Auseinandersetzungen so führen, dass die kindlichen Entwicklungsbedürfnisse und die Würde beider Seiten gewahrt bleiben. Der partnerschaftliche Ansatz zur Konfliktregelung kann viel Positives in diese Auseinandersetzungen bringen, aber die letzte Verantwortung gehört den Eltern. Daher dürfen sie auf ihre Autorität weder verzichten, noch sich entreißen lassen.

Für mich steht außer Zweifel, dass das vierte Gebot seine ewige Gültigkeit hat und über alle pädagogischen Modetrends erhaben ist. Dass es kein Freibrief für Machtmissbrauch sein darf, steht wohl außer Frage.

 

Maria Neuberger-Schmidt,  www.elternwerkstatt.at

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Mag. Maria Neuberger-Schmidt

Autorin und Obfrau

ELTERNWERKSTATT, Verein im Dienst von Kindern, Eltern, PädagogInnen

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„Erziehung ist (k)ein Kinderspiel!“ Edition TIPS, 198 S. € 14,90

„Gewaltfrei, aber nicht machtlos – Erziehung mit Herz, Verstand und Führungskompetenz“ Das Buch zum ABC-Elternführerschein®, Ennsthaler Verlag, 336 S. € 21,90